„Father forgive“

Friedensgebet im Gedenken an die Vergebungsbitte aus Coventry


„Vater, vergib.“ Dompropst Richard Howard hat vor 80 Jahren diese Worte in die Chorwand der Kirchenruine von Coventry meißeln lassen. Deutsche hatten in einem Bombenangriff die mittelgroße Stadt Coventry fast vollständig zerstört. Die alte Kathedrale lag in Schutt und Asche. 568 Menschen waren am 14. November 1940 in der mittelenglischen Stadt tot.

„Vater, vergib“. Diese zwei Worte sind zu einer großen Versöhnungsgeste gegen Gewalt und Schuld geworden. Seit 1959 bilden sie den Anfang einer „Versöhnungslitanei von Coventry“, die seither wöchentlich überall in der Welt gesprochen und gebetet wird.

Im Gedenken an die Kapitulation Deutschlands am 8. Mai vor 75 Jahren und in Erinnerung an Versöhnungsworte von Coventry lädt die Evangelisch-Reformierte Kirchengemeinde ein zu diesem Friedensgebet heute am Donnerstag, 30. April 2020 – und darüber hinaus.

Seit Jahren gestalten wir gemeinsam mit dem internationalen Versöhnungsbund jeweils am letzten Donnerstag in einem Monat ein Friedensgebet zu einem aktuellen Thema.
Tagesaktuell, kritisch und weltoffen schafft das Friedensgebet einen Raum der Anteilnahme und der Besinnung auf die Kraft der Gewaltfreiheit für ein friedliches Miteinander.
 
Da eine Einladung zu einem öffentlichen Friedensgebet in die Süsterkirche nicht möglich ist, besteht hier die Möglichkeit, die Texte und Musik des Friedensgebetes online zu lesen und zu hören.
„Father forgive“ – Online-Friedensgebet am Donnerstag, 30. April 2020

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Inhalt

  1. „Father forgive“ – Friedensgebet im Gedenken an die Vergebungsbitte aus Coventry
  2. Choral-Jazz: Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not (EG 345)
  3. Eine Art Begrüßung (Horst Haase)
  4. Felix Mendelssohn Bartholdy, Ehre sei Gott in der Höhe (WoO 26)
  5. Die Seligpreisungen in der Übersetzung der Basisbibel
  6. Choral-Jazz: Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt (EG 666)
  7. Coventry, 14. November 1940 (Horst Haase)
  8. „Vater, vergib“ – The Universal Soldier
  9. Das Versöhnungsgebet von Coventry im Wortlaut
  10. Choral-Jazz: Wir glauben Gott im höchsten Thron (EG 184)
  11. Die Versöhnungslitanei von Coventry. Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zum 75. Jahrestag der Bombardierung von Coventry (von Martin Dutzmann)
  12. Choral-Jazz: Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362)
  13. „Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.“ – Nachdenken der ersten Bitte: Keine Rassen (Horst Haase)
  14. „Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, Vater, vergib.“ – Nachdenken der dritten Bitte: Ein Lieferkettengesetz (Gertrud Schüür)
  15. „Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.“ – Nachdenken der fünften Bitte: Wir alle wissen (Gertrud Schüür)
  16. „Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.“ – Nachdenken der fünften Bitte: Eine Interview-Kollage (Rainer Nuß)
  17. „Die Entwürdigung von Frauen, Männern und Kindern durch sexuellen Missbrauch: Vater, vergib.“ – Nachdenken der sechsten Bitte: Eine Frau erzählt (Joachim Poggenklaß)
  18. Johann Sebastian Bach, Wo soll ich fliehen hin (Melodie _Auf meinen lieben Gott) BWV 646)
  19. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. – Eine kurze Besinnung (Rainer Nuß)
  20. “Wo Hoffnung und Geschichte sich reimen”  – ein Predigt-Gedicht-Auszug
  21. Choral-Jazz: Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern (EG 17)
  22. Jesu Versuchung. Ein biblischer Text und ein Gebet (Rainer Nuß)
  23. Johann Sebastian Bach, Christ lag in Todesbanden (BWV 625)

 

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2. Choral-Jazz: Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not. (EG 345)>>

(Bertold Becker, Piano; Joachim Fitzon, Kontrabass; David Herzel, Schlagzeug; CD Choral-Jazz VOL I)

 

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3. Eine Art Begrüßung

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!

Unser zweites Friedensgebet in Corona-Zeiten, das wir nicht in unserer Süsterkirche feiern können, beginnen wir mit einem Gruß, der seit Jahren die Friedensgebete in der Süsterkirche eröffnet.
Wir wollen unsere Gedanken in dem zweiten online Friedensgebet auf die Friedenslitanei von Coventry konzentrieren. Die Menschen in Coventry haben mit ihrem Friedensgebet, dass sie im Chorraum der Ruine ihrer 1940 zerstörten Kathedrale an jedem Freitag um 12.00 Uhr beten, ein Zeichen für den Frieden in der Welt gesetzt und setzen es Woche für Woche neu.

Mich beeindruckt diese Geste, weil sie nach den unvorstellbaren Gräueltaten eines Vernichtungskrieges erfolgt. Menschen beten für den Frieden, danken für ihn und bitten um Vergebung. „Vater vergib“ ist die wiederkehrende Bitte nach jedem Satz des Gebets. Die Kraft dieses Gebets erschließt sich daraus, dass hier um Vergebung für alles – für fremdes und für eigenes – Tun gebetet wird. Welche Stärke!
In Coventry mahnt die Ruine einer zerstörten Kathedrale, dass es uns Ernst bleiben muss mit dem Frieden auf Erden. Wir haben in Deutschland ein vergleichbares Beispiel mit der Gedächtniskirche in Berlin, deren Zerstörung auch eine Antwort auf Coventry war. Auch ihr zerstörter Turm, der stehen geblieben ist, mahnt neben der neuen Kirche ein „nie wieder“ an. Wir haben ein Beispiel in Dresden, wo die zerstörte Frauenkirche wiederaufgebaut werden konnte und der Aufbau als Zeichen des neuen Friedens auch aus England gefördert wurde. Die Kraft, ein „FATHER FORGIVE“ wie in Coventry auch in die Wände unserer Ruinen meißeln zu lassen, hatten wir nicht.

Mich stimmt bei diesem Gedanken demütig dankbar, dass wir bei der Neugestaltung der Gedenkkultur in unserer Kirche von Anfang an die Vater-unser-Bitte „und vergib uns unsere Schuld“ im Kopf hatten.
In unseren aktuellen Tagen erleben wir, dass Staatslenker ihre nachvollziehbare Hilflosigkeit vor der bedrückenden Situation der Coronakrise dahinter zu verbergen suchen, dass sie von einem „Krieg” gegen das Virus sprechen und zum Teil Gesetze aus der Zeit des 2. Weltkriegs reaktivieren, um Eingriffe in die Freiheit der Bürger zu rechtfertigen. Viele suchen die Schuld für den Ausbruch und das Ausmaß der Epidemie bei anderen. Aber es handelt sich ganz sicher nicht um einen Krieg, oder um eine zurechenbare Schuld, sondern um eine große globale Herausforderung. Ich halte es für unanständig, von Krieg zu sprechen, weil bei aller berechtigten Sorge um die Probleme des Augenblicks, Krieg damit verharmlost wird. Krieg ist immer menschengemacht und deshalb vermeidbar. Gefragt sind nicht Begriffsschöpfungen oder Schuldzuweisungen. Gefragt ist besonnenes, rechtzeitiges und überzeugend erklärtes Handeln. Wenn dieses Handeln Erfolg hat, ist es auch ohne „Krieg“ ein gelungener Beitrag zum Frieden auf Erden, der es uns ermöglicht, uns zum Friedensgebet wieder in der Süsterkirche zu treffen, uns nahe zu sein und miteinander für den wahren, dauerhaften Frieden zu beten.

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!

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5. Die Seligpreisungen in Auszügen (Matthäus 5,3-9)

(nach der Übersetzung der Basisbibel)

3 »Glückselig sind die, die wissen,
dass sie vor Gott arm sind.
Denn ihnen gehört das Himmelreich.
4 Glückselig sind die,
die an der Not der Welt leiden.
Denn sie werden getröstet werden.
5 Glückselig sind die,
die von Herzen freundlich sind.
Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten.
6 Glückselig sind die,
die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.
Denn sie werden satt werden.
7 Glückselig sind die,
die barmherzig sind.
Denn sie werden barmherzig behandelt werden.
8 Glückselig sind die,
die ein reines Herz haben.
Denn sie werden Gott sehen.
9 Glückselig sind die,
die Frieden stiften.
Denn sie werden Kinder Gottes heißen.

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6. Choral-Jazz EG 666 - Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt>>

(Bertold Becker, Piano; Joachim Fitzon, Kontrabass; David Herzel, Schlagzeug; CD Choral-Jazz VOL I)

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7. Coventry, 14. November 1940

Um den Inhalt des Versöhnungsgebets von Coventry in seiner ganzen Bedeutung zu würdigen, ist es hilfreich, sich diese Fakten zu vergegenwärtigen:

Coventry ist eine Stadt in England, die 1940 ungefähr so groß war wie Bielefeld heute. Derzeit hat sie fast 370.000 Einwohner.
Am 14. November 1940 flog die deutsche Luftwaffe einen schweren Bombenangriff auf Coventry, der in erster Linie einem Flugmotorenwerk galt, aber auch andere Unternehmen des Maschinen- und Fahrzeugbaus in der Stadt, wie Rover, Morris (Riley), Alvis, Standard Motor und SS Cars (ab 1945: Jaguar) traf.
Neben großen Teilen der Innenstadt wurden über 4300 Häuser und unersetzliche Kulturgüter zerstört, darunter die mittelalterliche St Michael’s Cathedral. 568 Menschen kamen ums Leben.
Göbbels erfand den zynischen Begriff „Coventrieren“ für das totale Zerstören einer Stadt aus der Luft.
Trotz der großen Zerstörungen in der Stadt rief Richard Howard, damaliger Domprobst der Pfarrkirche von Coventry, in einer von der BBC direkt aus den Ruinen übertragenen Weihnachtsmesse zur Versöhnung und zur Verbannung aller Hass- und Rachegedanken auf.
Diese Haltung führte kurz nach Kriegsende zu einer ersten Städtepartnerschaft Coventrys mit Kiel und 1959 zu einer weiteren mit Dresden, das im Februar 1945 bei den Angriffen der späteren Siegermächte ebenfalls zerstört wurde.
Nach dem Angriff des 14. November 1940 ließ der Domprobst aus drei bei Aufräumarbeiten gefundenen großen Zimmermannsnägeln, die die mittelalterlichen Deckenbalken der Kathedrale zusammengehalten hatten, das Nagelkreuz von Coventry zusammenfügen. Es steht heute –künstlerisch gestaltet- auf dem Altar der neuen Kathedrale und gilt als Zeichen der Versöhnung und des Friedens. Weitere Nagelkreuze befinden sich in über 160 Kirchengemeinden weltweit, die zusammen die Nagelkreuzgemeinschaft bilden, die sich durch das Versöhnungsgebet von Coventry verbunden und verpflichtet fühlt.
Der Domprobst ließ die Worte „FATHER FORGIVE“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Sie stehen noch heute dort.
Die Ruinen der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Kathedrale von Coventry wurden nach dem Krieg als Gedenkstätte und Mahnmal erhalten. In unmittelbarer Nähe wurde die neue Kathedrale der Stadt errichtet.  

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8. „Vater, vergib“ – The Universal Soldier>>

ein Friedenssong von von Buffy Sainte-Marie  (komponiert 1964, berühmt geworden durch Donovan)

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9. Das Versöhnungsgebet von Coventry im Wortlaut

Im Jahre 1959 wurde das Versöhnungsgebet von Coventry formuliert und wird seitdem an jedem Freitagmittag um 12.00 Uhr im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale in Coventry gebetet. Die deutsche Übersetzung, die seit Oktober 2015 von der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V. beschlossen ist, lautet:

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3,23 LUT)
Darum beten wir:
Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr eigen ist,
Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen,
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Vater, vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Vater, vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,
Vater, vergib.
Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, gleichwie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4,32 LUT)
AMEN

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10. Choral-Jazz: Wir glauben Gott im höchsten Thron (EG 184)>>

(Bertold Becker, Piano; Joachim Fitzon, Kontrabass; David Herzel, Schlagzeug; CD Choral-Jazz VOL I)

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11. Die Versöhnungslitanei von Coventry

Predigt von Martin Dutzmann in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zum 75. Jahrestag der Bombardierung von Coventry

„Father forgive. Vater, vergib.“ Richard Howard hätte auch andere Worte in die Chorwand der Kirchenruine von Coventry meißeln lassen können. 568 Menschen waren am 14. November 1940 in der mittelenglischen Stadt gestorben; die verletzten Männer, Frauen und Kinder hat wohl keiner gezählt.
Der Kirchenmann hätte Worte der Klage an die Wand schreiben können. …
Der Dompropst hätte auch den Ruf nach Vergeltung aus Psalm 94 zitieren können. …
Doch als die Ruinen des Gotteshauses vom Schutt befreit waren, ließ Richard Howard in der erhalten gebliebenen Apsis nicht Worte der Klage und nicht Worte der Rache, sondern Worte der Versöhnung anbringen. Er fand sie im Lukasevangelium …. Jesus aber sprach: ‚Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. ‘ “Father forgive“ ist nun an der Stirnwand der Ruine der Kathedrale von Coventry zu lesen ...
„Vater, vergib.“ steht da. Nicht: „Vater, vergib ihnen“ wie es im Evangelium heißt. Schon das wäre eine großartige Geste gewesen. Eine Geste im Sinne Jesu … Aber der Dompropst lässt es bei den beiden Worten: „Vater, vergib.“ Das lässt den Blick weiter werden: „Vater, vergib. Vergib uns allen, was wir dir und anderen Menschen schuldig blieben und was wir ihnen antaten. Vergib uns allen unsere Schuld – gleich welchem Volk oder welcher Kriegspartei wir angehören mögen. Der Pfarrer macht ernst mit dem, was der Apostel Pauls in seinem Brief an die Römer schreibt: „Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“ (Römer 3, 23). Staunend und dankbar denken wir heute ... an jene Geistes- und Glaubensgröße zurück, die mitten im Krieg Worte der Versöhnung fand und dabei die Augen vor eigener Schuld nicht verschloss. …
„Vater, vergib.“ Im Jahr 1958, achtzehn Jahre nach dem schrecklichen Bombenangriff auf Coventry und der Zerstörung von St. Michael’s Cathedral geht ein Gebet um die Welt, das diese Bitte aufnimmt und konkretisiert: die Versöhnungslitanei von Coventry. Bereits in den Jahren zuvor hat die Versöhnungsarbeit an der Kathedrale größere Kreise gezogen: Menschen und Gemeinden sind mit dem Nagelkreuz, dem Symbol dieser Versöhnungsarbeit, beschenkt worden und zur Nagelkreuzgemeinschaft zusammengewachsen. Schon 1947, nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, ist das erste Nagelkreuz in das Land des ehemaligen Feindes gelangt, in die St. Nicolai-Gemeinde zu Kiel. Und nun also, 1958, das Gebet …

„Vater, vergib.“ Sieben Mal wird diese Bitte in der Versöhnungslitanei von Coventry wiederholt. Sieben Mal, weil die Zahl sieben eine symbolische Zahl ist. Sie steht für eine unfassbar große Menge: Unfassbar groß ist die Schuld, die Menschen auf sich geladen haben und noch täglich auf sich laden. Unfassbar groß sind Leid und Unrecht, das von uns ausgeht und unter dem andere Menschen leiden. Unfassbar groß ist der Abstand zwischen uns und unserem Verhalten auf der einen und Gott und seinen Geboten auf der anderen Seite. …

Die Versöhnungslitanei von Coventry wird jeden Freitag zur Mittagszeit im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale und in vielen Nagelkreuzzentren auf der ganzen Welt … gebetet. Die regelmäßige Wiederholung erlaubt es den Betenden, mal der einen und mal einer anderen Vergebungsbitte intensiver nachzusinnen…

Die dritte Bitte der Versöhnungslitanei ... „Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet: Vater, vergib.“ Haben Sie noch die schrecklichen Bilder vor Augen, die das Fernsehen am 24. April 2013 ausstrahlte? Es waren Bilder einer eingestürzten Textilfabrik in Sabhar/Bangla Desh. 1127 Arbeiterinnen und Arbeiter kamen unter den Trümmern ums Leben und 2438 von ihnen wurden verletzt. Es war nicht für ihre Sicherheit gesorgt. Entsprechende Vorkehrungen, wie sie in deutschen Fabriken selbstverständlich sind, hätten Geld gekostet. Die Hosen und T-Shirts, die dort genäht und gefärbt werden und die wir hier zu Tiefstpreisen erwerben, wären ein paar Cent teurer geworden. Die Bilder der eingestürzten Textilfabrik stehen für ungezählte Fabriken, Steinbrüche und Plantagen in Entwicklungsländern. Menschen schuften dort unter Gefahr für Leib und Leben und für Hungerlöhne, damit wir billig Textilien und Kaffee, Schokolade, ja sogar Grabsteine, einkaufen können.
Bedrängend nah kommt uns in diesen Tagen und Wochen auch die fünfte Bitte: “Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge: Vater, vergib.“ ...
Vater, vergib.
Wir haben Grund zur Dankbarkeit. Zur Dankbarkeit dafür, dass Christen in Coventry, unmittelbar nachdem sie am 14. November 1940 angegriffen worden waren, Signale der Versöhnung aussandten. Dass sie nach dem Krieg die Versöhnungsarbeit fortsetzten, indem sie die Nagelkreuzgemeinschaft gründeten und der Welt die Versöhnungslitanei schenkten. Vor allem aber haben wir Grund zur Dankbarkeit gegen Gott. Er hört uns, wenn wir zu ihm rufen: Vater, vergib. Und er vergibt uns unsere unfassbar große Schuld um Jesu Christi willen.
Unsere Dankbarkeit wird sich nicht in Worten und Liedern erschöpfen. Wir werden Gott und den Geschwistern in Coventry danken, indem wir unsererseits Schritte auf dem Weg zur Versöhnung gehen. Es werden konkrete Schritte sein:
Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, werden wir bekämpfen, indem wir öffentlich zu Versöhnung und Frieden aufrufen und unsere Kinder die Nächstenliebe lehren.
Der Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, werden wir entgegentreten, indem wir für weltweite Gerechtigkeit eintreten und, wo immer es uns möglich ist, fair gehandelte Waren erwerben.
Der mangelnden Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge werden wir abzuhelfen versuchen, indem wir daran erinnern, dass, wer einen Flüchtling aufnimmt, es mit unserem Herrn Jesus Christus selbst zu tun bekommt.
Bei all unseren Bemühungen um Versöhnung werden wir die Quelle im Blick behalten, aus der wir täglich Kraft schöpfen können und sollen. Von ihr ist ganz am Ende der Versöhnungslitanei von Coventry die Rede, wo aus dem Brief an die Epheser zitiert wird: „Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebe einer dem anderen wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus.“
Amen


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12. Choral-Jazz: Ein feste Burg ist unser Gott>>

(Bertold Becker, Piano; Joachim Fitzon, Kontrabass; David Herzel, Schlagzeug; CD Choral-Jazz VOL I)

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13. „Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.“

Nachdenken der ersten Bitte

Vergib den Hass, der Fremdes von Vertrautem trennt
Es gibt keine Menschenrassen.

„Vater vergib den Hass, der Rasse von Rasse trennt“
Als 1959 das Versöhnungsgebet von Coventry formuliert wurde, war dieser Satz für niemanden ungewöhnlich. Auch unser Grundgesetz formuliert im Artikel 3, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung oder seiner Rasse benachteiligt werden darf.
„Rasse“ – dieser Begriff hat in seiner pervertierten Auslegung unendliches Leid über die Menschheit gebracht. Der Begriff entwickelte sich, als die Europäer sich anschickten, die Welt zu „entdecken“. In dem Bestreben, die Welt zu ordnen, begannen Wissenschaftler, sie zu erklären. Vor allem begannen sie damit, festgestellte Unterschiede wertend zu betrachten.  
Der Arzt und Philosoph Ernst Haeckel schrieb 1903: „Naturmenschen stehen in psychologischer Hinsicht näher den Säugetieren – Affen – Hunden – als dem hoch zivilisierten Europäer. Daher ist auch ihr individueller Lebenswert ganz verschieden zu beurteilen.“
Eine Steilvorlage für das Naziregime.
Dabei zeigt ein Blick auf unsere DNA heute, dass es so etwas wie „Rasse“ nicht gibt. Nachdem das menschliche Erbgut entschlüsselt wurde, ist nachweisbar, dass Unterschiede zwischen Menschen nicht durch Hautfarben oder kontinentaler Herkunft entstehen, sondern Unterschiede von Mensch zu Mensch jede und jeden einzigartig ähnlich und verschieden macht.
„Rasse“ ist also nicht durch einen genetischen Code bestimmt, sondern ein erfundenes gesellschaftliches Konstrukt. Es gibt keine menschlichen „Rassen“.
Als Christ kann ich es gern auch so formulieren: Es gibt nur Menschen als Geschöpfe Gottes.  Hautfarbe oder Geburtskontinente mögen uns äußerlich unterscheidbar machen – aber sie begründen keinen Wertunterschied – sie sind kein „Rassemerkmal“.
Wir können den Text des Gebets trotzdem zu unserem machen und ihn mitbeten– aber nicht unreflektiert. Die, die ihn damals formuliert haben, haben ihn sicher etwa in dem Sinn verstanden: „Vergib den Hass, der Fremdes von Vertrautem trennt“. So formuliert hat er auch heute noch seinen tiefen Sinn.

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14. „Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, Vater, vergib.“

Nachdenken der dritten Bitte

Kinderarbeit in Kakaoplantagen, verheerende Arbeitsbedingungen in Textilfabriken, Hungerlöhne für Teepflückerinnen – dies ist traurige Wirklichkeit der Weltwirtschaft. Auch deutsche Unternehmen sind daran direkt oder indirekt beteiligt.
Beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013 starben 1135 Menschen. Dort ließen auch KiK und Adler produzieren.
Aldi, Lidl, Teekanne und andere Firmen verkaufen Tee aus Assam/Indien. Die Teepflückerinnen in Assam erhalten für ihre Arbeit zwischen 1,70 und 2 € Lohn pro Tag. Dieser Lohn reicht nicht für ein menschenwürdiges Leben und eine sichere Existenz. Die Menschen dort leben trotz harter Arbeit unterhalb der Armutsgrenze. Sie leiden an Mangelernährung und an Gesundheitsschäden.
In den Kakaoplantagen Westafrikas schuften rund 2 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen. Rund 10% der weltweiten Kakaoernte werden in Deutschland zu Süßwaren verarbeitet. Keiner der großen Schokoladenhersteller…. kann bisher ausschließen, dass in seinen Produkten Kinderarbeit steckt. Dazu zählen bekannte Firmen wie Ferrero, Nestle, Mars, Mondelez und Storck.
Nach den „UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte“ sind Staaten verpflichtet, Menschen durch Gesetze vor Menschenrechtsverstößen durch Unternehmen zu schützen. Aber auch die Unternehmen sind verantwortlich, ihr Möglichstes zu tun um Menschenrechte in ihren Lieferketten zu gewährleisten…
Im März ist ein schon geplantes Gesetz gegen Lohndumping und Ausbeutung in globalen Lieferketten, das deutsche Unternehmen verpflichten soll Menschenrechte in ihren Lieferketten zu gewährleisten, von Wirtschaftsminister Altmaier gestoppt worden.

Ruinen der St.Michael Kathedrale in Coventry

15. „Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.“

Nachdenken der fünften Bitte


Wir alle wissen um die grauenvollen Umstände, unter denen Tausende geflüchtete Menschen auf den griechischen Inseln in und um die Flüchtlings Camps leben müssen. Es gibt keinerlei Schutz vor Gewalt, Krankheiten und psychischer und physischer Not.
Die Europäische Union hat Griechenland keine solidarische Hilfe angeboten bzw. keine gemeinsame Lösung für die Verteilung der Geflüchteten auf andere Länder gefunden. Die EU hat ihren Schwerpunkt vor allem auf bewaffnete Grenzsicherung gelegt. Die deutsche Bundesregierung, wie einige weitere Staaten, geben Absichtsbekundungen ab, bis zu 1500 schutzbedürftige Kinder aus den Lagern zu holen. Aber bisher sind gerade einmal 47 Kinder und Jugendliche nach Deutschland geholt worden …

16. Nachdenken der fünften Bitte – eine Interview-Kollage

Vater, vergib. Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.
Europa, Corona, Flüchtlinge – Die Grenzen sollen gefährlicher sein, als die Orte aus denen Menschen fliehen. –
Freie Zusammenfassung aus Interviews mit Erik Marquardt, EU-Parlamentarier und Sea-Eye Aktivist (23.04. Weser Kurier und 24.04.2020 Online-Demonstration Fridays for Future – Über die Zustände an den EU-Außengrenzen während der Corona-Pandemie)
Das Camp Moria / Griechenland wurde für 3000 Personen geplant, heute leben hier mehr als 20 000 Menschen. Angesichts der COVID-19-Pandemie ist es unmöglich Abstandsregeln einzuhalten. Die Lage ist extrem schwierig und unwürdig
Warum ändert sich nichts oder so verschwindend wenig? Die humanitären Krisen an den Außengrenzen sollen als Mittel zur Abschreckung genutzt werden. Sie werden aktiv erzeugt, indem man den Zugang zu Schulbildung, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung beschränkt. Die Grenzen sollen gefährlicher sein, als die Orte, aus denen die Menschen fliehen.
Und die Mitgliedsstaaten schieben die Verantwortung auf die EU, weil sich die Regierungschefs nicht auf ein Verteilungssystem einigen können. Es fehlt an Ländern, die trotzdem Verantwortung übernehmen. Auch Deutschland hätte die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass hier einige tausend Menschen umverteilt werden. Aber so tut man am Ende, was rechtspopulistische Regierungen wie die in Ungarn erwarten. Sie schlagen politisches Kapital daraus, dass solch eine Lage existiert.
Deutschland hat Angst vor Rechtspopulisten. Zur Bundestagswahl 2017 hat Horst Seehofer noch eine Obergrenze von 200000 Geflüchteten gefordert. Damit stand er am rechten Rand der demokratischen Debatte. Jetzt diskutieren sämtliche Bundesminister wochenlang darüber, ob man 58 unbegleitete Minderjährige aufnehmen soll. Es ist zu fragen, für wen überhaupt diese Politik gemacht wird.
Das am vorletzten Wochenende nun 47 minderjährige Flüchtlinge aufgenommen und auch Griechenland eine Umsiedlung besonders gefährdeten Menschen aus den Camps aufs Festland plant, ist ein winziger Schritt. Bei der Debatte, bzw. der Verweigerung vieler EU-Mitgliedsstaaten, ebenfalls Menschen aufzunehmen, fokussiert sich die Debatte auf unter 14-jährige Mädchen. Manche Politiker wollen sich als Retter inszenieren, anstatt sich grundsätzlich für Menschenrechte und Würde einzusetzen. Für die 47 Kinder freut es. Politisch ist es aber ein Feigenblatt, mit dem versucht wird, die Möglichkeiten, die man eigentlich hätte, zu verstecken.
Trotz der Corona-Bewältigung muss man sich nicht dafür schämen, Menschen in Not zu helfen. Die Europäische Union basiert auf Menschenrechten und Menschenwürde. Sie ist keine Idee von drei Hippies beim Kiffen, sondern die Konsequenz aus Faschismus und Krieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Verantwortung muss klar sein. Die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten.
Zu diskutieren, die private Seenotrettung angesichts der Pandemie auszusetzen, ist absolut nicht zu verstehen. Vertreter dieses Kurses sollten mal eine Mutter auf einem Schlauchboot anrufen und ihr erklären, dass sie und ihr siebenjähriges Kind leider ertrinken müssen, weil sie im Fall einer Rettung vom Virus bedroht wären. Sicherlich muss es auch bei uns um die Aufnahme einer übersichtlichen Zahl von Menschen gehen. Viele Städte würden gerne helfen. Dass nicht einmal die Hilfsbereitschaft genutzt wird, die da ist, zeugt davon, dass es nicht an den Möglichkeiten, sondern am politischen Willen mangelt. Das schädigt die Demokratie. Es geht darum, europäisches Recht einzuhalten, zu helfen, ein paar Tausend Menschen aus Notlagen zu retten.
Vater, vergib. Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater, vergib.


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17. „Die Entwürdigung von Frauen, Männern und Kindern durch sexuellen Missbrauch: Vater, vergib.“

Nachdenken der sechsten Bitte

Eine afrikanische Frau kurz vor dem dreißigsten Lebensjahr, die wir ins Kirchenasyl aufgenommen hatten, erzählte uns:
Meine Eltern konnten nicht mehr für mich sorgen. Als ich 15 Jahre alt war, zog ich in das Haus einer Familie, in der ich Hausarbeit verrichtete und den Frauen dort die Haare machte. Mein Lohn war, dass ich dort wohnte und essen und trinken konnte. Eines Tages kam eine andere Frau dorthin, der ich auch die Haare machte. Sie sagte mir, ich könne in Italien viel mehr Geld verdienen, wenn ich anderen die Haare machte. Sie könne alles für mich organisieren. Ich müsse ihr nur schwören, dass ich ihren Anweisungen folgen würde. Kurze Zeit später kam ich nach Süditalien. Dort wurde ich in ein Haus bestellt und traf darin die Frau, die mir versprochen hatte, dass ich in Italien viel Geld verdienen würde. Sie ließ mich einen Woodoo-Schwur ablegen und sagte mir, ich müsste als Prostituierte arbeiten. Würde ich mich weigern, würde sie mich überall finden und töten. Damit ich bereit war, das Verlangte zu tun, wurde ich geschlagen und vergewaltigt. Ich musste mich in mein Schicksal ergeben, bis sich später eine Möglichkeit ergab, nach Deutschland zu fliehen.
Später erzählte uns eine andere Frau, die deutlich jünger um die 20 Jahre alt war, ein ähnliches Schicksal.
(Joachim Poggenklaß)


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18. Johann Sebastian Bach, Wo soll ich fliehen hin (Melodie: Auf meinen lieben Gott) BWV 646)>>

Ruth M. Seiler an der Eule Orgel der Neustädter Marienkirche


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19. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Die Bibel erzählt in ihren ersten Kapiteln eine bildhafte Geschichte von der „anfanghaften“ Erfahrung des Menschseins. Sie erzählt darin auch, welchen Versuchungen wir Menschen erliegen:
-  So sein wie Gott (Baum der Erkenntnis)
-  Meinen Bruder aus dem Weg zu räumen (Mord an Abel)
-  Die Gefahr der Selbstüberschätzung (Turm zu Babel)

Mit diesen Versuchungen stellen wir uns scheinbar ein „mehr an Lebensmöglichkeiten“ vor. Aber es hat Gottferne zur Folge, denn dieses Mehr an Möglichkeiten geht auf Kosten der Anderen. Der Preis ist hoch. Lebensgemeinschaften werden geschädigt oder zerstört.

Eine Gebetsgemeinde, auch eine ‚Virtuelle‘ in Corona-Zeiten, macht uns „Herausgefallene“ zu „Herausgerufenen (=Gemeinde)“ – Herausgerufen aus den Verstrickungen von Schuld und Irrtum hin zum Sehnen nach dem Paradies.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern führe uns in der Versuchung.
Im Versöhnungsgebet von Coventry kommt dieses „Herausgefallen- und Herausgerufen-Sein“ umfassend zum Ausdruck - Schuld und die heilende Kraft der Vergebung.

Vater, vergib. – Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen – Vater, vergib.
Vater, vergib. – Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott – Vater, vergib.


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20. “Wo Hoffnung und Geschichte sich reimen”

Auszüge aus der Predigt von Dr. Sarah Hills, Canon for Reconciliation, Coventry,
in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am 8. Januar 2017

 “Wo Hoffnung und Geschichte sich reimen”
Ich möchte Euch für Euren so freundlichen Empfang heute Morgen danken. Es ist eine große Ehre, dass ich mit Euch zusammen den 30. Jahrestag Eurer Zugehörigkeit zur Nagelkreuz-Gemeinschaft und der besonderen Beziehung, die die Kathedrale von Coventry damals mit Euch eingegangen ist, begehen kann. Es war ergreifend, als wir während der vergangenen Wochen, nach dem schrecklichen Attentat unmittelbar vor dieser Kirche, die Versöhnungslitanei gebetet haben und unsere Gebete dabei besonders auf Euch hier in Berlin richteten. In unseren Herzen waren wir mit Euch allen verbunden.

Es gibt ein Gedicht eines nordirischen Dichters, Seamus Heaney, und einen Teil davon möchte ich Euch weitergeben als Antwort auf unsere heutige Bibellesung. Es heißt “Zweimal hinschauen” und stammt aus seinem Werk “Die Heilung zu Troja“:
Menschen leiden.
Sie foltern einander.
Sie werden verletzt, und sie werden hart.
Kein Gedicht, kein Stück, kein Lied
Kann jemals aufheben ein Unrecht
Zugefügt und erlitten. …
Die Geschichte sagt, Hoffe nicht
Diesseits des Grabes.
Aber dann, einmal im Leben
Die lang ersehnte Flutwelle
Der Gerechtigkeit kann sich erheben
Und Hoffnung und Geschichte reimen sich. …
Hoffe also auf die Große Veränderung
Jenseits aller Rache.
Glaube, dass ein fernes Gestade
Erreichbar ist von hier.
Glaube an Wunder
Und an Heilungen und an heilende Brunnen. …
Nenne Wunder die Selbstheilung
Die äußerste, sich selbst offenbarende
Verblüffung der Gefühle.
Wenn es Feuer gibt auf dem Berg
Und Blitz und Sturm
Und ein Gott spricht aus dem Himmel …
Dann heißt dies, jemand hört
Auf den Aufschrei und den Geburtsschrei
Des neuen Lebens, das entsteht.
Es heißt einmal in einem Leben
Dass die Gerechtigkeit sich erheben kann
Und Hoffnung und Geschichte sich reimen.”


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21. Choral-Jazz: Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern>>

(Bertold Becker, Piano; Joachim Fitzon, Kontrabass; David Herzel, Schlagzeug; CD Choral-Jazz VOL I)


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22. Jesu Versuchung in der Wüste, Mt 4, 1-11

1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« 5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« 8 Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.
Gott, hilf uns!
Wir wollen das Heilige, das Leben, dich Gott, heilig sein lassen. Es bleibe unantastbar, es bleibe unserem Zugriff entzogen – unverfügbar!
Gott, steh uns bei!
Wir wollen das Leben, das ein Teil von Dir ist, nicht missbrauchen, unseren Glauben nicht gefügig machen für unser Ego.
Gott, lehre uns!
Was wir tun, tun wir letztendlich uns selbst. Wer das Heilige missbraucht, zerstört das wertvollste in sich selbst. Es beschädigt seine Seele.
Gott, stärke uns!
Lass uns durch deinen Geist leben. Gib uns den Willen, der Versuchung der Macht nicht zu erliegen.
Amen

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23. Johann Sebastian Bach, Christ lag in Todesbanden BWV 625>>

Ruth M. Seiler an der Eule-Orgel der Neustädter Marienkirche