Friedensgebet online – „Israel und Palästina“

Israel und der Gaza-Streifen stehen unter Beschuss.
Menschenrechtsverletzungen und Terror auf beiden Seiten.
Wir nehmen den Konflikt ins Gebet.
Wir beten um Frieden und denken an die Situation der Menschen in Häusern und Bunkern in Israel,
wir beten um Frieden im Gazastreifen, der eingeschlossen ist und in dem Menschen durch Raketen und gezielten Beschuss täglich sterben.
Wir beten für palästinensische Familien in Ostjerusalem, die sich kaum wehren können gegen die Vertreibung aus ihren Häusern durch israelische Siedler.
Wir beten um Verständigung, Gerechtigkeit und die Kraft der Gewaltfreiheit.
"Beten ist Wünschen – nur feuriger!" – schrieb der Philosoph Jean Paul. Der Theologe Fulbert Steffensky fügt hinzu: "Wir beten umso feuriger, je mehr wir wahrzunehmen vermögen, wo das Leben geschändet und beleidigt wird."

Das Friedensgebet vereinigt Texte, Bilder, persönliche Beiträge und Musik.
Nicht alles will gelesen oder gehört werden, und doch umkreisen alle Inhalte die Sehnsucht nach Frieden.
Im Mittelpunkt des Friedensgebets online steht ein besonderer Gast: Frau Sama Azar,20 Jahre alt, israelische Palästinenserin, Christin und Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Jordanien, Studentin der Fachhochschule für Diakonie, schildert in einem YouTube-Video ihre Sicht der Dinge.

Wir wünschen uns allen ein gutes „Gebet“, eine Zeit des Innehaltens und Nachdenkens, eine Zeit für Hoffnungen trotz allem!

Inhalt:

  1. Vorspiel: Hashivenu ... – Ein Kanon; mit Bärbel Fünfsinn und Band
  2. Ein Text zur Begrüßung; von Horst Haase
  3. Eine Gebet nach Psalm 126 (Bertold Becker)
  4. Kannst Du mir helfen, das zu verstehen? von Horst Haase
  5. Ein weltberühmter Song! Ein musikalischer Beitrag von Mohammed Assaf
  6. Landverlust. Eine Entwicklungs-Karte
  7. Ein Interview mit Sama Azar (Video: Lea Roth)
  8. Ein Wunder ist nötig! von Sami El-Yousef
  9. „Erklärung zur zunehmenden Gewalt...“, von Bischof Sani Ibrahim Azar
  10. Wir werden Menschen sein, so ist es uns versprochen; von Rainer Nuß
  11. Act To Promote Peace 2021 Mai; Material durch Thomas Nauerth
  12. Es gibt sie, die Friedensbewegung in Israel: Es wird demonstriert; von Thomas Nauerth
  13. Rabbis für Human Rights; Material durch Thomas Nauerth
  14. Auszüge eines persönlichen Berichtes eines Mitarbeiters aus Nes Ammim; Material von Gertrud Schüür
  15. Ein persönlicher Brief an Bischof Azur, von Brigitte Maske
  16. Fürbittengebete
  17. Zur Kollekte: das Dorf Neve Shalom – Wahat al Salam (NShWaS);  Material durch Thomas Nauerth

1. Vorspiel – auch als Kanon zu singen

Hashivenu>>

Hashivenu, hashivenu Adonai elecha
Venashuva venashuva
Hadesh Hadesh yamenuke ke dem

English Translation:
Turn us back, turn us back, O LORD to You
and we will turn, and we will turn
renew, renew our days as before

2. Ein Text zur Begrüßung

„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden“
Mit dem Zitat dieser Worte haben wir im August 2014 die Reihe unserer Friedensgebete in der Süsterkirche begonnen. Wir verbinden diese Worte ihrem Ursprung nach mit dem Teil unserer Erde, den wir das „heilige Land“ nennen. Unser erstes Friedensgebet war bestimmt vom Denken an dieses Land und den endlos erscheinenden Konflikt zwischen Israel und Palästina. Wir dachten damals voller Entsetzen und Hilflosigkeit an dieses Land, in dem der Hass der Menschen aufeinander und der Mangel an Vertrauen zueinander die Aussicht auf Frieden nicht einmal als eine Hoffnung erkennen ließ.
Bei der Überlegung, was man tun könne, was wir tun könnten, fiel uns das ein, was uns allen in unterschiedlichen verzweifelten Lagen einfällt: „Da kann man nur beten.“ Da muss man beten.
"Beten ist Wünschen – nur feuriger!" – sagt der Philosoph Jean Paul. Der Theologe Fulbert Steffensky fügt hinzu: "Wir beten umso feuriger, je mehr wir wahrzunehmen vermögen, wo das Leben geschändet und beleidigt wird."
So haben wir zum gemeinsamen Beten eingeladen. Wir wollten dabei nicht Partei ergreifen, wir wollen nicht nach Schuld, nach Schuldigen und Ursachen forschen – wir wollen beten – für ein anderes Denken und Handeln, in dem die zum Frieden führende Vernunft wieder Platz findet.
Seitdem sind sieben Jahre vergangen – und wir müssen mit den Worten von damals wieder in das „heilige Land“ schauen, in dem die Menschen wieder aufeinander schießen statt miteinander zu reden. Auch heute macht es wenig Sinn, nach Schuld und Schuldigen zu suchen, weil das nichts ändert. Suchen können wir alle zusammen nur nach der verschütteten Vernunft. Und wir können dafür beten, dass die unmittelbar am Konflikt Beteiligten ebenso wie die im Nebel stehenden Unterstützer der einen oder anderen Seite, die Vertreter eigener Interessen die verschüttete Vernunft wiederfinden und nach ihren Regeln handeln. Es liegt auf der Hand, was dort, in diesem „heiligen Land“ gerecht, vernünftig und friedensbringend sein kann.
Wir wollen dafür beten, dass die unmittelbar Beteiligten und ihre jeweiligen offenen oder heimlichen Unterstützer sich auf das besinnen, was gerecht und vernünftig ist und allen mehr bringen kann als sie heute haben.
Wir wollen uns nicht entmutigen lassen – und auch wenn die Situation dort heute eher schlimmer erscheint als vor sieben Jahren – nicht nachlassen im Gebet und der damit verbundenen Hoffnung. Leider können wir uns immer noch nicht in der Süsterkirche treffen, aber wir laden Sie alle ein, auch auf diesem Wege mit zu denken, mit zu beten und mit zu hoffen.  
„Beten ist der Anfang eines Aufstandes gegen die Unordnung der Welt.“, sagt der Theologe  Karl Barth.
Wir schließen alle Menschen, die unter Krieg, Tyrannei und Terror, unter Armut und Ausbeutung leiden, – auch ungenannt – in unsere Gebete ein.
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!

3. Ein Gebet nach Psalm 126

Ein Lied für einen langen Weg, der mit Gott verbunden ist

Wenn Du, Gott, die Gefangenen um Zions Berg erlösen wird,
so werden wir alle sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Dann werden die Vereinten Nationen aufstehen
und den Frieden preisen, der ausstrahlt in alle Welt.
Sie werden sagen: Gott, der Eine,
der Gott der Mütter und Väter,
der Juden und Christinnen und Moslems,
der Gott des Friedens und der Versöhnung hat Großes getan!
Gott hat Großes an uns getan;
deshalb sind wir fröhlich und feiern ein Fest der Gemeinschaft:
Dann ist die Klagemauer ist ein Ort des Gebets für Moslems,
und die Moschen geben Heimat Juden und Christen,
und auf dem Tempelberg wird Brot geteilt – und Land!
Noch ist es nicht soweit.
Darum, Gott,
bringe zurück unsre Gefangenen,
die zu Tausenden in den Gefängnissen der Israelis einsitzen.
Baue Mauern und Zäune ab, die Menschen voneinander trennen,
Reiße ein die Grenzen, die Gaza zu einem Ghetto machen.
Gebe zurück die beschlagnahmten Häuser,
bau auf die Wohnungen derer,
die durch Raketen und Bomben zerstört sind.
Lass die Friedhöfe ein Ort des Lebens werden,
weil jede und jeder alt und lebenssatt stirbt.
Wie die Bäche fließen im Südland,
so schenke fließendes Wasser
für die Brunnen und Häuser aller Menschen in dem Land,
das einst gelobt war und wieder gelobt werden wird.
Wir sammeln unsere Tränen in einen Krug, Gott.
Es sind viele, doch reichen sie nicht aus,
die Felder zu bewässern und die Brunnen zu füllen.
Die Tränen des Schmerzes sind zu salzig und verderben die Saat,
und die Freudentränen wollen nicht fließen.
Doch geben wir nicht auf, den Frieden zu säen
und zu düngen mit Worten, Geesten,
mit Verständigung und Versöhnung.
Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.
Die Saat unserer Tränen wird aufgehen, Gott,
Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da werden die Vereinten Nationen aufstehen
und den Frieden preisen, der ausstrahlt in alle Welt.
Amen!

4. Kannst Du mir helfen, das zu verstehen?

Nein! Musste ich antworten, als mir vor einigen Tagen von einer jungen Frau diese Frage gestellt wurde. Sie hatte schon viele Länder dieser Welt bereist und ist auch in Israel und Palästina gewesen. Schon bei der Begegnung mit Menschen in beiden Ländern war sie auf manches gestoßen, dass sie kaum verstehen oder erklären konnte. Die Menschen wurden stumm, wenn man sie auf das Problem ihres Zusammenlebens mit ganz unterschiedlichen Ziel- und Wertvorstellungen ansprach. Und jetzt „ das“  – kannst Du mir helfen, das zu verstehen?
Nein, diese Hilfe musste ich schuldig bleiben, denn verstehen kann ich „das“ auch nicht. Da finden eingeübte, erprobte Rituale statt. Konflikte  – oft religiös „aufgewertet“ – beginnen klein, dann fliegen Steine und Gummigeschosse. Es folgen Raketen, deren Einsatz ebenso teuer wie sinnfern ist, weil sie abgefangen werden oder ihre Ziele in der Regel verfehlen, aber Angst und Schrecken verbreiten. Dann folgen die Luftangriffe. Ihre Zerstörungen sind groß und keinesfalls auf militärische Ziele beschränkt. Menschen sterben. Das geht so eine bis zwei Wochen weiter. Alle Welt tut so, als rege sie sich auf und fordert Frieden und Verhandlungen ein, die es nicht geben wird.  Irgendwann sagt dann jemand, den wir alle nicht kennen, jetzt sei es aber genug. Dann ist der heiße Krieg zwar nicht vorbei aber erst einmal wieder eingefroren. Alle Beteiligten feiern und erklären sich zum Sieger und die, die die Waffen zur Zerstörung geliefert hatten, beginnen eine „spontane“ Reisetätigkeit, um den angerichteten Schaden anzusehen, ihn aufzunehmen, Hilfe beim Wiederaufbau zuzusagen und Neutralität zuzusichern, die es nicht gibt.
Kannst Du mir helfen, das zu verstehen?
Die Medien begleiten das Geschehen mit drastischen Bildern und Texten. Sie fragen nicht nach den Ursachen, denn die kennt eigentlich jede/r.  Aber es wird spekuliert, wer denn wohl dieses Mal die Schuld hat. Wem nützt es? Wer führt gerade Wahlkampf oder fürchtet um sein Amt? Wer erhofft sich Vorteile in der Auseinandersetzung, die rivalisierende Gruppen oder Parteien der einzelnen Lager untereinander führen. Man kann die Artikel aufbewahren, um sie beim nächsten Mal wieder zu drucken. Vielleicht muss man den einen oder anderen Namen austauschen – aber nur vielleicht, denn die Halbwertzeit der in Person Beteiligten ist groß.
In unserem Land gibt es Solidaritätserklärungen, Ermahnungen zum Wohlverhalten (unter Berücksichtigung unserer geschichtlichen Verpflichtungen) natürlich ausgewogen. Und es gibt Demonstrationen. Und dabei werden dann Fakten aufgegriffen, erfunden und gemischt, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Antisemiten haben plötzlich so etwas wie einen nachvollziehbaren Vorwand, ihre dummen Vorstellungen auszuleben – ja geradezu herauszuschreien.
Der Antisemitismus ist bei uns lebendig. Ein sicher nicht beabsichtigter Nebeneffekt, den die Schreier erzielen, ist für mich der, dass wir alle wach geschrien sein sollten. Der Antisemitismus lebt, wir alle müssen wachsam sein, um ihm nicht erneut einen Boden zu bereiten, auf dem er gedeihen kann.
Kannst Du mir helfen, das zu verstehen? Ich weiß nicht, ob es überhaupt einen Menschen gibt, der „das“ versteht. Aber gerade deshalb gehört es in unser Friedensgebet. Mit uns beten zahllose Menschen unterschiedlicher Religionen und Konfessionen in der Hoffnung, dass Frieden auf Erden nicht nur eine Option bleibt. Sie beten in Erwartung, der Einkehr von Vernunft. In der Gewissheit, dass unser Gebet erfolgreicher Widerstand gegen das, was ist, sein kann, und uns dem, was Gott verheißen hat, ein Stück näherbringt: Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit – auch von engstirnigem Denken und Handeln.

5. Ein weltberühmter Song!

Ein musikalischer Beitrag von Mohammed Assaf

Zum YouTube-Video>>

„Mohammed Assaf (*10. September 1989 in Misrata, Libyen ist ein palästinensischer Journalismus-Student und Gewinner der zweiten Staffel des Castingwettbewerbs Arab Idol, die am 22. Juni 2013 ihr Finale hatte. Er wuchs im Gaza-Streifen auf.
Assafs Großeltern stammen aus dem Süden Palästinas und flüchteten 1948 anlässlich des israelischen Unabhängigkeitskrieges aus ihrer Heimat. Sein Vater arbeitete im libyschen Misrata als Buchhalter, dort wurde Assaf geboren. Als er vier Jahre alt war, zog die Familie nach Chan Junis in ein Flüchtlingslager um. Im Alter von sechs Jahren begann er, in einem Chor zu singen. Später verdiente er sein Geld als Hochzeitssänger.
Um zum Casting in Ägypten zu kommen, musste er mit von der Hamas erbetteltem Geld ägyptische Grenzbeamte bestechen. Das Hotel in Kairo, in dem die Veranstaltung stattfand, war bereits geschlossen, so dass er über einen Zaun kletterte, um hineinzukommen. Alle Startnummern waren bereits vergeben worden, doch ein Bekannter aus Saudi-Arabien trat ihm seine Teilnahme ab, „weil er schöner singen würde“.
Im Finale setzte er sich unter anderem gegen einen Kandidaten aus Ägypten, das die zwanzigfache Einwohnerzahl der Palästinensischen Autonomiegebiete aufweist, durch. Für die Abstimmung, die per SMS stattfand, senkten die palästinensischen Telefongesellschaften die Tarife und Präsident Mahmud Abbas rief die Vertretungen im Ausland auf, die Palästinenser in der Diaspora zur Stimmabgabe zu bewegen. Bei seiner triumphalen Rückkehr in den Gaza-Streifen sandte auch die Hamas, die westliche Fernsehshows und nichtislamische Songs missbilligt und Assafs Teilnahme an dem Wettbewerb anfänglich verurteilt und eine Facebook-Kampagne gegen ihn gestartet hatte, einen offiziellen Vertreter des Kulturministeriums zum Empfang an die Grenze. Zu seinem ersten Auftritt im Westjordanland, einem Gratiskonzert in Ramallah, kamen 40.000 Menschen.
Unmittelbar nach seinem Erfolg bei Arab Idol ernannte das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten Assaf zum „regionalen Jugendbotschafter für palästinensische Flüchtlinge“. (Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammed_Assaf vom 27.05.2021)

6. Landverlust – eine Entwicklungskarte

7. Ein Interview mit Sama Azar (Video: Lea Roth)

Frau Sama Azar, 20 Jahre jung, israelische Palästinenserin, Christin und Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Jordanien, Studentin der Fachhochschule für Diakonie, schildert in einem YouTube-Video ihre Sicht der Dinge.

8. Ein Wunder ist nötig

Reflexionen und Aktualisierungen aus dem Heiligen Land:
Sami El-Yousef; Chief Executive Officer; Latin Patriarchate of Jerusalem 14 May 2021
(Einfache Übersetzung aus dem Englischen)

In den letzten Tagen haben wir viele Nachrichten von unseren Freunden auf der ganzen Welt erhalten, die uns überprüft und große Besorgnis über die jüngsten traurigen Entwicklungen in unserer Region zum Ausdruck gebracht haben. Dies hat mich ermutigt, einige Aktualisierungen und Überlegungen zu drei Hauptkonfliktbereichen zu schreiben, nämlich Jerusalem; Gaza; und Israel, insbesondere gemischte Städte und Gemeinden. Die jüngsten Entwicklungen sind sehr ernst und werden, wenn sie nicht sofort eingedämmt werden, eine bereits kochende Region in den Abgrund treiben. Nachfolgend einige Bemerkungen:

Jerusalem – die Stadt des Friedens, die einen besonderen Platz in den Herzen und Gebeten von Milliarden Menschen der drei monotheistischen Religionen einnimmt, ist heute eine zerbrochene und sehr gespaltene Stadt. Was als legaler Kampf um die Räumung einiger Häuser im Viertel Sheikh Jarrah in Ostjerusalem begann, öffnete jahrzehntealte Wunden der in Israel bestehenden doppelten Rechtsnormen, die den Juden das Recht einräumten, Eigentum zu beanspruchen, das sie vor 1948 in Ostjerusalem besaßen, während sie es leugneten das gleiche Recht für Palästinenser, die in Westjerusalem Eigentum verloren haben.
Was folgte, ist der Beginn des heiligen Monats Ramadan im muslimischen Glauben und die klare Misshandlung der Polizei beim Zugang zur Al-Aqsa-Moschee sowie der
Damascus Gate Plaza, ein beliebter Ort für soziale Kulturveranstaltungen in den Abendstunden nach dem Iftar (eine besondere Mahlzeit) während dieses Monats.

Spannungen eskalierten und nächtliche Konfrontationen folgten fast jede Nacht zwischen Gläubigen und der Polizei in den engen Gassen des Moslemviertels, des Al-Aqsa-Geländes sowie von Sheikh Jarrah.
Die Spannungen während Laylat Al Qadr, der Nacht, in der Gott dem Propheten Mohammad den Koran zum ersten Mal durch den Engel Gabriel offenbarte, der am 27. Tag des Ramadan gefeiert wird, nahmen weiter zu. Wiederum misshandelte die Polizei die Anbeter, die traditionell eine halbe Million Menschen erreichen, die in der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem beten, und errichtete Straßensperren am Hauptort Tel-Aviv – Jerusalem Highway, um Gläubigen zu verbieten, Jerusalem zu erreichen und den Zugang auf unter hunderttausend zu beschränken.

Muslimische Anbeter konnten nicht verstehen, warum solche Beschränkungen auferlegt wurden, während noch vor wenigen Wochen beim jüdischen Passahfestes den jüdischen Gläubigen keinerlei Beschränkungen beim Zugang zur Klagemauer in der Altstadt auferlegt wurden. Auch hier waren die Parallelen unvermeidlich und die Motive fraglich.
Der Höhepunkt kam am „Jerusalem Tag “, der seit 1967 von der Stadt Jerusalem als Tag der Wiedervereinigung Jerusalems gefeiert wird. Für die rechten jüdischen Fanatiker ist dies ein Festtag, während er für die Palästinenser ein sehr trauriger Tag ist, da die Aktivitäten jährlich einen sehr provokativen Marsch der rechten fanatischen Jugend durch das Moslemviertel mit rassistischen Gesängen umfassen.
Während des Marsches, der in letzter Minute von der Polizei von den üblichen Hotspots weggeleitet wurde, drohte die Hamas, dass sie, wenn Al-Aqsa weiterhin von der israelischen Polizei entweiht wird, Raketen auf Jerusalem abfeuern wird. Zum ersten Mal seit vielen Jahren ertönten Sirenen, und ein in Panik geratenes Jerusalem reagierte mit Angst und Trauer, die immer noch die meist menschenleeren Straßen füllen.
Spannungen setzten sich in Jerusalem fort, da beide Seiten in ihren Positionen verankert sind und die Hauptprobleme ungelöst bleiben.

Gaza – An der Südfront herrscht relative Ruhe, obwohl die Blockade im Gazastreifen seit über 14 Jahren andauert und sich das tägliche Leben dort nicht verbessert hat. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 50%; Strom ist knapp und bietet längstens eine 8-Stunden-Versorgung pro Tag; es gibt keine Wasser- oder Abwasserinfrastruktur und keine wirtschaftliche Entwicklung. Der am dichtesten besiedelte Ort der Erde (zwei Millionen Menschen leben in einem geografischen Gebiet von 364 Quadratkilometern) ist belebt mit Menschen, die Wege finden, um mit der humanitären Katastrophe zu leben und sich in einen unzureichenden Leben einzurichten.
Als sich die Hamas entschied, während des Marsches von Jerusalem „für Jerusaelm einzustehen“ und Raketen auf Jerusalem abzufeuern, wurde die Tür für eine ernsthafte Eskalation weit geöffnet. Das begann vor vier Tagen und ist noch nicht abgeschlossen. 

Seit Montag hat Israel Tausende von Luftangriffen auf den Gazastreifen gestartet mit ständiger Bombardierung verschiedener Ziele wie Militärstandorte, Regierungsgebäude, Wohngebäude, Fabriken, Unternehmen und Banken. Es hat eine weit verbreitete Zerstörung gegeben, ohne dass ein Ende in Sicht war. Im Gegenzug hat die Hamas sogar die Israelis überrascht, indem sie über tausend Raketen an verschiedene Orte tief in Israel geschickt hat, darunter Tel Aviv, Lod, Petah Tikva, Rishon Letzion und andere. Es wurde berichtet, dass Millionen von Israelis für verschiedene Zeiträume in Notunterkünfte geschickt wurden, und trotz der primitiven Natur dieser lokal produzierten Raketen gab es eine Reihe direkter Treffer auf Wohngebäude, die einige Todesfälle verursachten. Es gibt einen klaren Wettbewerb zwischen beiden Seiten darüber, wer in ihren Wahlkreisen mehr Schaden anrichten und mehr Punkte erzielen kann, unabhängig vom Leid der normalen Bürger.

Obwohl dies ein aktives Kriegsgebiet ist und es sehr schwierig ist, die Schäden zu bewerten, während die Feindseligkeiten andauern und sich weiter ausbreiten, ist bisher klar, dass das Rosenkranz-Schwestern-Kloster und der Kindergarten Schäden erlitten haben, da es wiederholt Bombenangriffe auf die Straße gab außerhalb ihres Eigentums. Die Schwestern haben seit drei Tagen nicht mehr geschlafen und sich geweigert, ihre gefährlichen Räumlichkeiten zu verlassen, um die Schule zu schützen. Sie sind müde und traumatisiert und entschlossen, jedes Schicksal zu akzeptieren, das sie erwartet. Außerdem wurden einige Wohnungen der christlichen Gemeinde beschädigt. Der Pfarrer von Gaza, Pater Dr. Gabriel Romanelli unterstützt von P. Yousef Saad hat sich heldenhaft bemüht, in ständigem Kontakt mit all seinen Gemeindemitgliedern zu sein, um Schäden zu bewerten, ältere und kranke Menschen zu besuchen, Messen abzuhalten und sein eigenes Leben in Gefahr zu bringen, um seine pastoralen Pflichten zu erfüllen und Menschen zu trösten. Dies sind die Helden von Gaza, denen wir verpflichtet sind jede mögliche Hilfe zu unterstützen und anzubieten, sobald sich die Situation stabilisiert.

Israel (gemischte Städte und Gemeinden) – Trotz aller katastrophalen Entwicklungen in Jerusalem und Gaza waren die gewaltsamen Proteste in vielen Städten Israels, darunter Haifa, Lod, Ramleh, Jaffa, Acre und vielen anderen, die vielleicht schlimmsten Entwicklungen im vorsichtigen Zusammenleben seit der Gründung Israels in diesen gemischte Standorten. In der Vergangenheit gab es Spannungen, aber die Ereignisse in Jerusalem und Gaza scheinen eine sehr spaltende Auswirkungen auf das gemeinsame Zusammenleben zu haben.
Bei rassistischer Spannungen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zwischen Arabern und Juden wird Lynchen zu einer tägliche Erfahrung. Das sehr zerbrechliche Band des Zusammenlebens, das lange existierte, wird zerschmettert und die Darstellung von Hass und Rassenslogans werden zur Norm. Nachbarn greifen Nachbarn an.

Bedauerlicherweise zeigt die Polizei erneut Doppelmoral mit einer schweren Hand, die gegen Araber gerichtet ist, und einem relativ blinden Auge für jüdische Extremisten. Verschiedene Bataillone der Grenzpolizei wurden aus dem Westjordanland in diese Städte verlegt, und es werden Reservisten mit der Möglichkeit aufgerufen, die Armee an die Hotspots zu rufen, um die Ordnung wiederherzustellen. Israel hat sich wie bisher dramatisch verändert und diese rassistischen Spannungen werden sich langfristig negativ auf die Gesellschaft insgesamt auswirken. Selbst der Präsident Israels räumte ein, dass dies die größte Bedrohung für Israel seit seiner Gründung ist.
Man kann nur hoffen und beten, dass bald etwas Ruhe wiederhergestellt wird, um das Leiden, den unnötigen Verlust von Leben und die Zerstörung von Eigentum zu stoppen. Noch wichtiger ist, dass Ruhe erforderlich ist, um die Seelen zu heilen und auf einen anderen Weg zu gelangen, auf dem alle Kinder Gottes gleich und mit Würde behandelt werden können. Diesmal ist es dringend erforderlich, die Ursachen dieses nie endenden Konflikts anzugehen, damit Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Wären die Milliarden für Krieg und Zerstörung stattdessen in Entwicklung, Bildung, Gesundheit, und die Schaffung von Arbeitsplätzen und Infrastruktur investiert worden, wären Gaza und das Heilige Land jetzt an einem viel besseren Ort.

Lasst uns beten, dass die Vernunft zurückkehrt und die gegenwärtigen Feindseligkeiten sofort enden. Ansonsten stehen uns leider einige dunkle Zeiten bevor!

Behaltet uns in euren Gebeten, denn nur ein Wunder kann das Heilige Land vor der nächsten bevorstehenden Katastrophe retten!

Sami El-Yousef
Geschäftsführer
Lateinisches Patriarchat von Jerusalem
14. Mai 2021

9. „Erklärung zur zunehmenden Gewalt...“, von Bischof Sani Ibrahim Azar

10. Wir werden Menschen sein, so ist es uns versprochen – aber nur miteinander (D. Sölle)

Politische Fragmente eines Bielefelders (von außen auf den Konflikt geschaut)

Fragmente_01: Angst vor unkalkulierbaren Anschlägen auf beliebige zivile Orte und Menschen, Verzweiflung in besetzen Gebieten in denen mir meine Existenzgrundlagen genommen werden, eingepfercht mit 2 Millionen Menschen auf der 1,4-fachen Fläche von Bielefeld.
Ich will nachzuvollziehen, warum unser israelischer Austauschschüler vor Jahren so sehr die militärische Stärke seines Landes lobte. Gleichwohl versuche ich die Radikalisierung der jungen Leute im Gaza Streifen und ihre Unterstützung für die Hamas zu verstehen.
Wut erzeugt Gewalt. Rache führt zu Gegengewalt ... Wenn meine Umgebung Gewalt als Lösung von Problemen anerkennt, schaffe ich es dann noch, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen …?

Ursachen_01: Israels Existenzrecht wird u.a. von vielen Palästinensern bestritten. Hitzköpfe verführen junge Menschen strategielos und mit Waffengewalt zu kämpfen. Militärische Siege Israels erzeugen Besatzungen. Aus Kontrollbedürfnissen wird Unterdrückung. Konflikte, die mittlerweile seit Jahrzehnten nicht angegangen werden. Der Hang zum Terror wird nicht überwunden, wenn Menschen keine Perspektive haben ...

Fragmente_02: Die Politik in Israel/Palästina und die Politik der Weltgemeinschaft versagt. Vom Friedensprozess der 90er Jahre ist nichts mehr übriggeblieben. Weder Netanyahu noch Mahmut Abbas verfolgen derzeit einen echten Friedensprozess. 1994 erhielt Jitzchak Rabin und der erste Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, den Friedensnobelpreis. Seit der Ermordung von Rabin 1995 durch radikalisierte orthodoxe Juden hat sich ein Rechtsruck im israelischen Parteiensystem ergeben. Dort finden sich gestärkt Parteien, die einer „Ein-Staaten-Lösung ohne gleiche Rechte für alle“ das Wort reden. Israel hat innenpolitische Probleme. Die Einwanderungen von Gruppen aus vielen Regionen der Welt mit unterschiedlichster Sozialisation und habitueller Prägung führen zu Spannungen. Die Bevölkerung wird so durch einen „gemeinsamen Feind“ vereint. Aus dieser oberflächlichen und damit brüchigen Solidarität sind in aller Regel die palästinensischen Staatsbürger Israels ausgeschlossen.

Ursachen_02: Seit 1947 ist das völkerrechtlich verbriefte Anrecht der PalästinenserInnen auf staatliche Selbstbestimmung nicht umgesetzt. Das Westjordanland ist völkerrechtswidrig besetzt und es weiten sich die israelischen Siedlungen aus. Der Gazastreifen mit der fünft höchsten Bevölkerungsdichte weltweit hat sauberes Trinkwasser für nur 10% seiner Bewohner – er ist isoliert, kontrolliert und abgeschnürt. In den unterirdischen Gängen des Streifens lagern Waffen und Raketen, die nur darauf warten, unüberlegt und mit Zorn gezündet zu werden. Der Präsident des „zerfledderten“ geographischen Restgebildes, Mahmut Abbas genießt so gut wie keine Legitimation mehr. Die letzten Wahlen sind 15 Jahre her. Unzufriedene vor allem junge Palästinenser schließen sich der Hamas an, die im Terror eine vermeintliche Chance sehen.

Fragment_03: Mittlerweile überholen sich Angela Merkel, Gregor Gysi, Heiko Maas und Annalena Baerbock mit sehr plakativen Sätzen der deutschen „Staatsräson“ zum existierenden Israel. Sie meinen dabei die historisch begründete besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel und sie wollen offensichtlich entschieden gegen jede Form von Judenfeindlichkeit und für eine sichere und dauerhafte Existenz Israels eintreten. Das ist gut! Aber noch besser wären differenziertere, klarere Töne: Nicht reflexartige Reaktionen auf Israel kritische Demonstrationen, sondern zum Beispiel ein pro für Demonstrationen vor den Botschaften anstatt vor den Synagogen, ein pro für politische Inhalte und ein contra zu allem Antisemitismus.
Deutsche Politik und EU haben ihre Verantwortung unzureichend bis gar nicht wahrgenommen und sich hinter den USA versteckt. Unehrlich erscheinen die Bekenntnisse zu einer Zweistaatenlösung, während die israelische Regierung im Westjordanland und Ostjerusalem Fakten schafft, die eine solche Lösung immer unvorstellbarer machen.
Gab es einen relevanten Widerspruch aus Europa in den vergangenen vier Jahren unter der Trump-Regierung?

Hoffnung_01: Was bleibt außer Politik, Gewalt und Waffen? Es bleiben Begegnungen von Menschen aus den verfeindeten Lagern! Am besten vor Ort im „heiligen“ Land! Und wenn das nicht geht, dann Begegnungen bei uns in Deutschland. Begegnungen zum Arbeiten, Lernen und Leben … Schüleraustausch … Projekte mit Begegnung auf Augenhöhe …
Es ist zu kurz gedacht, auf die Politik zu warten. Es gilt Brücken zu bauen durch gemeinsames Wirken von Religionen und Kulturen … Ein Hoch auf Projekte, wo junge Menschen beider Völker gemeinsam leben und arbeiten ...
Und am besten doch noch Politik? Vielleicht wieder ein engagiertes Nahostquartett USA, Russland, EU und die UN am Tisch mit Israel und Palästina …?!

Hoffnung_02: Immer wieder wird gesagt, wer anfängt, hat Schuld!

Wie ist es eigentlich mit dem Anfang – mit dem Anfangen – mit den vielen Anfängen?

Warum frage ich immer wieder nach dem Anfang der Schuld und suche so selten nach dem Anfang der Versöhnung?
Komme ich zu einem wiederkehrenden, ähnlich gelagerten Punkt auf Kreisbahnen, um immer wieder anzufangen auf einer Spirale der Gewalt und Vergeltung – in immer kürzeren Abständen und wachsender Geschwindigkeit … ?  

„Fußnote“: Waren diesmal zuerst die Raketen der Hamas aus Gaza unterwegs oder die Zwangsräumungen von palästinensischen Familien während des Ramadans in Ostjerusalem durch jüdische Siedlerorganisationen? Wie absurd sind all diese Fragen? Oder wie waren die vielen anderen Anfänge? … die Schuldzuweisungen der unzähligen vorangegangen kleineren Scharmützel und Anschläge und der großen Gewalttaten, Kriege und Zerstörungen an den jeweils anderen?

STATTDESSEN: Anfangen mit permanenten Umlaufbahnen, Umkreisen eines neuen Zentrums von Zukunft jenseits der Schuld. In der Mitte erblicke ich das Bild von zwei Jugendlichen aus Israel und Palästina. Sie swingen und singen:
„Wir werden Menschen sein, so ist es uns versprochen – aber nur miteinander“

Also STATTDESSEN … (aber wer traut sich das schon?!).

11. Act To Promote Peace 2021 Mai

12. Es gibt sie, die Friedensbewegung in Israel: Es wird demonstriert

Es wird demonstriert. In Israel, in Jerusalem. Für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung. Friedlich und gewaltfrei. Die Fotos sind beeindruckend. Man findet sie aber nicht in unseren Medien, man kann da lange suchen. Man findet sie auf den Medien derjenigen Organisationen, die dort demonstrieren, z.B. auf dem Facebookaccount von "Women Wage Peace":   
(https://www.facebook.com/womenwagepeaceenglish/)

Gestern bildeten diese Frauen, weiß gekleidet wie ehemals die Frauen in Liberia (vgl. den Film "Pray the Devil back to Hell") eine Menschenkette um die Altstadt von Jerusalem:
The Human Chain of Peace at Jaffa Gate is proof that we need to and can live together in peace. We all stood together: Arab and Jewish women, religious and secular women, young and old, men and women- in cooperation with many other organizations. We quietly but firmly said:
NO to hatred
Together for the sake of the future
Together for the sake of our children
Together in hope
Together for peace
Together for security
Together for life
Together we understood that every mother, Arab or Jewish, wants a safe future for her children; this can only be achieved if we sit and talk together respectfully.

Tag Meir: Light instead of Terror; Mothers against Police Violence; Peace NGO’s forum; Universal peace Covenant; ALLMEP; Rabbis for Human Rights; Oz Veshalom; Standing Together; The Road to Recovery; Neighbors at Peace; Parents Circle Families Forum; Hand in Hand; Ossim Shalom – Social Workers for Peace; Torah of Justice; Women Lawyers for Social justice; Adam Institute.

13. Rabbis for Human Rights

Mit zunehmender Eskalation: Mehr als 100 Rabbiner und Rabbinerstudenten fordern Premierminister Netanjahu, Regierungsminister, religiöse Führer und die israelische Öffentlichkeit auf: Fächern Sie die Flammen nicht auf, rufen Sie nicht zu Gewalt auf, handeln Sie, um Frieden, Versöhnung und Ruhe zu fördern!
Mehr als 100 Rabbiner und Rabbinerstudenten riefen gemeinsam mit Rabbinern für Menschenrechte (RHR) die israelische Regierung, ihre Minister, religiösen Führer, Juden, Muslime und Christen an und sagten: „Wir alle, Juden und Palästinenser, leben in diesem Heiligen Land und wird dies auch weiterhin tun, Seite an Seite, auch nachdem dieser sinnlose Kreislauf der Gewalt vorbei ist. “
„Wir fordern die religiösen Führer in Israel - jüdische, muslimische und christliche - auf, die Flammen der Gewalt nicht zu entfachen und durch Ihre Botschaften nicht zu mehr Feindseligkeit und Blutvergießen anzuregen, sondern Versöhnung und Frieden zu fordern. Wir erinnern uns an die Worte von Rabbi Hanina in Tractate Berachot, der sagte: "Tora-Gelehrte erhöhen den Frieden in der Welt."
„Wir fordern die israelische Regierung auf, zu verhindern, dass sich diese Situation zu einem Krieg verschlechtert. Wir fordern unsere Militärführer auf, eine Schädigung der Zivilbevölkerung und ihres Eigentums zu verhindern: „Er hat es nicht als Verschwendung geschaffen, sondern zur Besiedlung geformt“ (Jesaja 45:18).
Unter den Unterzeichnern sind Rabbi Oded Mazor, Rabbi von Kol Haneshama in Jerusalem, Rabbi Orit Rozenblit von Poteach Shearim, Professor Rabbi Dalia Marx, Professor für Liturgie am Hebrew Union College, Rabbi Galia Sadan, Leiterin des Rabbinergerichts der Reformbewegung, Natalie Lesterger, Rabbi der Familie Minyan der Masorti-Bewegung in Kfar Vradim und viele mehr.
Avi Dabush, Executive Director von RHR: „Brände passieren nicht nur, sie werden entzündet. Als rabbinische Organisation mit über 100 Mitgliedern sehen wir es als unsere Pflicht an, kaltes Wasser auf die Flammen von Hass und Krieg zu gießen. Leider drängen viel zu viele politische und religiöse Führer verantwortungslos weiter darauf. Wir von Rabbis for Human Rights werden weiterhin unser Bestes tun, um sinnlosere Todesfälle zu verhindern und nach Frieden und Versöhnung zu streben. Dies ist unsere jüdische Verantwortung. “
* RHR wurde 1988 gegründet und ist die einzige rabbinische Organisation, die sich aus Rabbinern aus allen rabbinischen Bewegungen zusammensetzt. Wir bestehen aus über 100 Rabbinern und Studentenrabbinern und sind eine überparteiliche Organisation, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzt. | http://www.rhr.org.il

14. Auszüge eines persönlichen Berichtes eines Mitarbeiters aus Nes Ammim

Über meinen Bruder erhielt ich einen Bericht und Einschätzung seines Freundes, der in Nes Ammim arbeitet. Nes Ammim ist eine 1963 gegründetet christliche Gemeinschaft von europäischen Freiwilligen sowie arabischen und jüdischen Familien. Aus dem Bericht zitiere ich nur den letzten Absatz mit einer insgesamt doch eher pessimistischen Einschätzung, aber auch der Wichtigkeit von Dialog:

„Nach den Ausschreitungen in den gemischten Städten gab es zahlreiche kleine Demonstrationen an Straßenkreuzungen und Resolutionen, die zur Beendigung der Gewalt aufriefen. Auch wir von NES Ammim haben einen solchen Brief unterschrieben, der Zitate aus allen Religionen gegen Gewalt zusammenträgt – aber eben nicht zu Veränderung aufruft.
Juden wie Palästinenser in Israel wollen natürlich, dass wieder Ruhe einkehrt. Bemühungen um Dialog und Brückenbau werden – wie ein Leitartikel in Ha’aretz formulierte – jetzt „notwendiger sein denn je“. Allerdings ist die Verunsicherung anscheinend doch recht groß: Es gab Absagen von Dialoggruppen, die nach Nes Ammim kommen wollten, weil die aufgeheizte Stimmung derzeit vertrauensvolle Begegnung ungemein erschwert.
Ein einfaches „back to normal“ ist nur ein Zurück zu den unhaltbaren Verhältnissen, die die Saat für den nächsten Ausbruch säen. Ich sehe nicht, wie die Tiefendynamik, die der zionistischen Bewegung seit Beginn zugrunde liegt, und die im Nationalstaatsgesetz von 2018 als Grundgesetz kodifiziert wurde, umgekehrt werden könnte, wie man von dem „den Juden alles, den Arabern nur das absolute Minimum“ zu einer „Gleichberechtigten Teilhabe aller“ kommen könnte. Die kommende Regierung jedenfalls wird mit ganzer Kraft das Gegenteil betreiben.
Dialogarbeit ist dennoch existentiell notwendig, aber nicht, weil man sich Hoffnung auf absehbare Verbesserung der Gesamtsituation machen könnte, sondern als grundlegende Lebensäußerung der am Dialog beteiligten, mit der sie sich ihrer Humanität versichern.
Darin sehe ich auch weiterhin einen Sinn in der Existenz von Nes Ammim: Denen, die um des Erhalts ihrer Humanität willen den Dialog nicht aufgeben, einen Ort zu bieten, ein Art Erste-Hilfe-Station und Refugium in einem von Ungerechtigkeit und Benachteiligung geprägten Land.“

15. Ein persönlicher Brief an Bischof Azur, von Brigitte Maske

Sehr geehrter Herr Bischof, lieber Herr Azar,

heute, am zweiten Pfingsttag, habe ich das Grab Ihres Vaters – auf dem Betheler Friedhof im Kreis der Nazareth-Diakone – besucht und dabei noch einmal über das Zoom-Gespräch nachgedacht, das Sie am vergangenen Dienstag mit Pfarrer Lange-Sonntag von der Ev. Westfälischen Kirche geführt haben und an dem ich ebenfalls teilgenommen habe.
Die bedrückende Atmosphäre in Ihren persönlichen Antworten, besonders im zweiten Teil der Veranstaltung, die konkret beschriebenen Anlässe für Ihre Traurigkeit und Ihre Enttäuschung angesichts Ihrer gegenwärtigen Situation und Ihrer Erfahrungen von Verlassen- und Vergessen-Sein gehen mir nicht aus dem Sinn.

Sie wurden an dem Abend u.a. danach gefragt, was Sie sich von unserer Ev. Kirche in Deutschland wünschen. Sie haben als Antwort das "Schwestern- und Brüdersein" genannt.
Ich möchte Ihnen heute gern sagen, was ich mir von dieser meiner Kirche in Deutschland, auch in Westfalen, angesichts des viel länger als 70 Jahre währenden Palästina-Israel-Konflikts wünsche, ja – bisher vergeblich – erwarte:
Dass sie bekennt, dass ihre besondere historische Schuld und Verantwortlichkeit gegenüber dem christlichen Antijudaismus und dessen Folgen bis in die Shoah nicht an den Grenzen des Staates Israel endet. Diese Schuld und Verantwortung gelten folgerichtig in ebensolcher Weise den Palästinenser: Sie sind es, die mit den Ursachen dieser Schuld und Verantwortung gar nichts zu tun (gehabt) haben; und doch sind sie es, die die Last der Folgen aufgebürdet bekommen haben und bis heute aufgebürdet bekommen. Im Zuge der von der Weltgemeinschaft beschlossenen israelischen Staatsgründung sind mehr als die Hälfte der Bewohner/innen Palästinas aus ihrem Land vertrieben worden und werden bis heute weiter vertrieben.
Aus einem solchen Schuld-Bekenntnis würden entsprechende Taten folgen: Die Ev. Kirche in Deutschland würde sich nicht nur z.B.  für "das Recht Israels auf seine Selbstverteidigung" stark machen, sondern dieses gleiche Recht auch für Palästinenser und ihr von der UNO eingeräumtes Land einfordern, ebenso wie die Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts auch für Palästina – jüdisch-christlich gesprochen: für die Gerechtigkeit, die bei Gott gilt/für den Schalom Gottes.

Leider, lieber Herr Azar, vermisse ich diese Stimme unserer Kirche bis heute. Wie anders sähe die Situation in Ihrem persönlichen Umfeld und in Ihrer Kirche aus, wenn die deutsche Ev. Kirche sie nicht nur als "object of charity", sondern auch als ein "Subjekt mit eigenen Rechten" unterstützen und verteidigen würde, im Nahen Osten, und auch in der Öffentlichkeit hier bei uns.

In Verbundenheit – mit herzlichen Grüßen!
Brigitte Maske, Pfarrerin i.R.
(Zu meiner Person: Ich habe über viele Jahre als Schulpfarrerin in der Ausbildung von Erzieher/innen gearbeitet, u.a. in der Ev. Fachschule für Sozialpädagogik/ heute Berufskolleg in Bethel. Ehrenamtlich war ich über mehr als 10 Jahre als Islambeauftragte im Kirchenkreis Bielefeld tätig und habe den "Bielefelder Trialog Juden – Christen – Muslime" gegründet und aufgebaut.)

16. Fürbitten-Gebete

Bischof Ibrahim Azar von der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Jordanien bat uns, für den Frieden zu beten in Israel und Palästina, dem Land der Träume und Hoffnungen, der Ängste und Trennungen, der strukturellen und aktuellen Gewalt.
Wir drucken zwei von unzähligen Gebeten ab.

Gebet für Frieden im Heiligen Land

(von Pfarrerin Sylvia Bukowski)
Du Gott des Friedens,
wir bringen vor dich unser Entsetzen
angesichts der eskalierenden Gewalt in Gaza und Israel.
So viel Hass flammt auf zwischen beiden Seiten,
so viel Zerstörungswut
und verborgen dahinter
so viel Verzweiflung,
so viel Angst.
Wir können nur ahnen,
was es für die Menschen heißt,
in Windeseile Schutz suchen zu müssen
vor Raketen und Bomben,
die Panik der Kinder zu erleben,
und machtlos zu sein,
ihnen die Schrecken zu ersparen.
Gott, wir bitten dich,
steh allen bei,
die jetzt um Angehörige bangen
oder die schon jemanden verloren haben.
Stärke unseren Zusammenhalt
mit den jüdischen Gemeinden in unserem Land,
die sich oft alleingelassen fühlen,
wenn sie von fanatischen Israelhassern
bedroht und angegriffen werden.
Bewahre uns davor,
aus sicherer Entfernung
einseitig Stellung zu beziehen,
und blind zu werden für die Tragödie beider Völker,
die sich bekämpfen.
Lass die, die politischen Einfluss haben
Wege finden,
das Blutvergießen zu stoppen,
und gib den Stimmen derer Gewicht,
die auf beiden Seiten
immer noch nach Versöhnung suchen,
und nach einem Frieden,
der beiden Völkern gerecht wird.
Gott, selbst für uns ist es nicht leicht,
die Hoffnung zu behalten,
dass du dein Wort wahr machst,
und an den vielen Orten der Gewalt
endlich Schalom einkehren wird.
Wann wird das sein?
Lass die zerrissene Welt nicht zu lange warten!
Amen.

***

Gott, Du Freundin des Friedens,
aus Jerusalem, der Stadt des Friedens,
und aus dem Heiligen Land, das Israel und Palästina umfasst,
hören wir Schmerzensschreie und Wehklagen.
Die Spirale der Gewalt dreht sich und hat Todesopfer und Verwundete gefordert.
Menschen leiden unter Gewalt,
den Radikale heraufbeschworen haben,
den die Mächtigen befehlen,
und der seit langem strukturell politisch gewollt ist.
Wir bitten Dich für die Opfer der fürchterlichen Gewalt, die das Land erschüttert:
Heile die Wunden der Verletzten und nimm die Verstorbenen in Dein Reich auf.
Wir bitten Dich für die Angehörigen der Opfer:
Tröste sie, schenke ihnen Kraft, Abschied zu nehmen,
und bewahre sie vor der Versuchung, ihre Trauer in Hass zu verwandeln.

Gott, der Du aus Feinden Freunde machst,

es wird immer schwieriger, über die Grenzen hinweg Begegnungen zwischen Menschen in Israel und Palästina zu ermöglichen. Menschen, die die realen Mauern und die Mauern in den Köpfen überwinden wollen, werden als Verräter hingestellt.
Dabei braucht das Heilige Land keine Raketen und Bomben, sondern den Willen, aufeinander zuzugehen und Hass in Liebe zu verwandeln.
Wir bitten Dich für alle in Israel und Palästina, die nicht an Hass und Gewalt glauben: Lass sie nicht ermüden in ihrem Mut, die Mauern der Trennung zu überspringen.
Wir bitten Dich für alle Menschen in Israel und Palästina: Nicht der Hass möge ihre Herzen erfüllen, sondern die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und Kompromisse zu schließen.
Wir bitten um den Geist des Friedens und der Verständigung, wie bitten um eine Veränderung von Grenzen in Herzen, Köpfen und territorialen Ansprüchen.
Wir bitten darum, dass Vernunft und Herzensgüte den Frieden voranbringen.

Gott, Du Gott der Kinder Jakobs,
als Kirche haben wir uns auf den Weg gemacht, die Treue Gottes zum jüdischen Volk zu bekennen und die Beziehung des christlichen Glaubens zum Judentum in Taten zu bezeugen.
Bestürzt sehen wir, wie jüdischen Gemeinden und Gläubige Opfer antisemitischer Attacken werden.
Wir bitten Dich für die jüdischen Gemeinden und ihre Mitglieder, dass sie ohne Diskriminierung und Bedrohung in Deutschland leben und ihren Glauben bezeugen können.
Wir bitten Dich für alle, die sich gegen den wachsenden Antisemitismus wenden:
Bestärke uns in unserem Engagement.

Amen.

17. Zur Kollekte: das Dorf Neve Shalom – Wahat al Salam (NShWaS)

Das Dorf hat seit März 2021 eine palästinensisch-israelische Bürgermeisterin.
Die Schulleiterin der Grundschule Carmella Ferber sagt: „Jeden Morgen, wenn ich die Schule betrete, bin ich zutiefst dankbar dafür, dass wir in dieser Schule gemeinsames Leben von Juden und Palästinensern in Israel als Normalfall erleben.“
Aber auch: September 2020 nicht aufgeklärter Brandanschlag auf den School of Peace Campus und die Friedensbibliothek!! Aber das hält sie nicht davon ab weiterzumachen!

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